Newsletter 05 2022

  • Tag der Vereine
  • Besuch in den Jugendämtern Saalekreis und Anhalt/Bitterfeld
  • Gleich zwei Fachtage zum neuen Vormundschaftsrecht
  • Angehende Justizfachwirtinnen machen sich schlau
  • Familienpolitisches Fachgespräch
  • Aus dem Vereinsleben unserer Mitglieder: Seminar zum Thema FASD
„Wir wünschen eine süße Adventszeit“ – mit dem gemeinsamen Plätzchenbacken beginnt im Pflege- und Adoptivelternverein Halberstadt traditionell die Vorweihnachtszeit – die Plätzchen werden dann bei der Vereinsweihnachtsfeier auch gemeinsam verputzt.  

Wenn sich Gleichgesinnte austauschen (Tag der Vereine)

Als Landesverband bieten wir unseren Verbandsmitgliedern, interessierten Pflegeeltern und Vereinen eine Plattform für den Austausch und organisieren den Tag der Vereine. Ort des Geschehens war das Dorfgemeinschaftshaus Schlanstedt und gekommen waren Pflegeeltern aus ganz Sachsen-Anhalt, so aus Bernburg, Wittenberg, Wernigerode, Halberstadt oder Quedlinburg, aber auch Vertreter der Politik wie die Landtagsabgeordneten Tobias Krull (CDU) oder Monika Hohmann (Linke) sowie unserer Netzwerkpartner: Birgit-Patricia Eilenberger vom Fachzentrum Pflegekinderwesen, Rolf Hanselmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband oder Paul und Steffen Neumann vom Institut für wirkungsvolle Sozialarbeit.

Es wurden Schwerpunkte formuliert, die Pflegefamilien beschäftigen und mit denen sich der Landesverband auseinandersetzt. Es geht um die Verbesserung der Situation der Bereitschaftspflegeeltern, die schnellere Anerkennung der heil- und sozialpädagogischen Pflegestellen, die bessere Altersabsicherung der Pflegeeltern sowie die reibungslosere Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Daneben wurden auch Datenschutz, einheitlicher Qualitätsstandards für Beihilfekataloge, Strukturen zur Entlastung von Pflegeeltern sowie die Veränderungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes genannt. Dazu erläuterte Henrike Hopp, Ehrenversitzende des Verbandes, dass die Gesetzesvorlage einen Passus enthält, der Pflegeeltern benachteiligen könnte. Konkret geht es um die Pflegeerlaubnis, die künftig auch dann entzogen werden könnte, wenn das Wohl des Kindes nicht gefährdet ist. Das sei widersinnig und lasse eine subjektive Bewertung durch die Jugendämter zu, die aufgeführten besonderen Gründe für eine solche Versagung böten zudem in der jetzigen Form einen zu großen Interpretationsspielraum. Darauf hat der LVPALSA bereits im Rahmen einer Anhörung hingewiesen.

Auch beim Thema Entlastung von Pflegeeltern sind sich alle Anwesenden einig. „Unsere Kinder haben sich verändert – wir haben mehr Kracher““, bestätigt die Vereinsvorsitzende Kathrin Kube. Umso wichtiger sei eine Entlastung, damit die Pflegefamilie wieder auftanken kann. Studien haben ergeben, dass mindestens 50 Prozent der Pflegekinder traumatisiert sind, zudem wird von 25 Prozent drogen- und alkoholgeschädigten Kindern gesprochen. Daher gebe es einen vermehrten Bedarf an spezifischeren Erziehungsarten und Hilfen. Das Ganze hat aber einen faden Beigeschmack. Denn, wenn man solche Hilfen in Anspruch nimmt, gibt man zu, überfordert zu sein und Pflegeeltern befürchten, dass dieser Hilferuf sogar gegen sie verwendet werden könnte.  „Wir würden gern mal Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie nicht wie ein Bumerang zurückkäme“, heißt es von den Zuhörern. Insgesamt ist dieses zweite Treffen der Vereine auf eine positive Resonanz bei allen Beteiligten gestoßen. Der nächste Termin steht bereits fest: Sonnabend, 3. Juni 2023, künftig sollen die Abstände zwischen den Treffen sogar noch verkürzt werden.

Gute Gespräche in den Jugendämtern Saalekreis und Anhalt/Bitterfeld

Der Reigen unserer Besuche aller Jugendämter im Land geht weiter. Am 3. November, wurden wir als Gäste des Saalekreises begrüßt und am 15. November besuchten wir das Jugendamt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Beide Gespräche fanden in offener Atmosphäre und auf Augenhöhe statt.
Die Frage, ob Kinder im Alter von 0 bis drei Jahren besser im Kinderheim oder bei einer Pflegefamilie aufgehoben sind, stellt sich in beiden Landkreisen nicht. „Nach der Trennung von ihrer Herkunftsfamilie benötigen Kleinkinder unbedingt feste Bezugspersonen“, sind sich alle einig. Auch über neue Modelle in der Pflegekinderhilfe als Lösung für fehlende Pflegeeltern wurde lebhaft diskutiert – neu an solchen „Pflegenestern“ ist, dass die Pflegemutter bei dem freien Träger angestellt und somit sozialversichert ist. Ein wirklicher Ausweg sei das aber nicht, besser wäre, die soziale Absicherung der Pflegeeltern per Gesetzgebung zu verbessern – oder deutlich höhere Pflegegeldsätze, hier würde ein Blick in die alten Bundesländer lohnen. Gerade die „älteren“ Pflegeeltern aus den 1990ern fallen in ein Loch, wenn das Kind die Familie verlassen hat. Oft sind diese Pflegeeltern zu alt für ein weiteres Kind, haben aber eine Menge Erfahrung und wären ideal als Bereitschaftspflegeeltern – hier fehlt aber die finanzielle Motivation.

Weitere Themen bei den Gesprächen waren Datenschutz, das Fehlen einer Landesrichtlinie für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, Schutzkonzepte für Pflegekinder sowie die fehlende Entlastung der Pflegeeltern. Diese wäre dringend nötig und auch hier sind andere Bundesländer bereits viel weiter. Dass eine Pflegschaft nicht immer auf Dauer angelegt ist, und eine Rückführung in die Herkunftsfamilie zwar selten, aber das erklärte Ziel in der Pflegekinderhilfe ist, haben Pflegeeltern immer im Hinterkopf. Allerdings sieht die Verbleibens-Anordnung einen Zeitraum von allerhöchstens drei Jahren vor, dass sich die Bedingungen in der Herkunftsfamilie verbessert haben.

Was nimmt der LVPALSA aus diesen Gesprächen mit: In beiden Landkreisen ist das Pflegekinderwesen gut aufgestellt – die Fallzahlen geben genügend Raum für regelmäßige Hilfepläne sowie individuelle Beratung und Begleitung. Das ist auch der Grund für eine sehr geringe Abbruchquote, die meist dann besonders droht, wenn das Verhältnis Pflegekind und Pflegeeltern schwierig wird (Pubertät). Grundsätzlich sind die Jugendämter an einer Zusammenarbeit mit dem Landesverband interessiert, beispielsweise mit gemeinsamen Werbekampagnen, Treffen, Austauschen oder Fachinfos.  Beide Jugendämter organisieren Kurse und Fortbildungen für Pflegeeltern größtenteils selbst. Der Gedanke dahinter, während dieser Veranstaltungen die künftigen Pflegeeltern besser kennenzulernen, leuchtet durchaus ein.

Was kommt mit dem neuen Vormundschaftsrecht?

Kathrin Kube erläutert beim Fachtag das neue Vormundschaftsrecht aus Sicht der Pflegeeltern.

Zum 1. Januar 2023 ändert sich das Vormundschaftsrecht. Für Amtsvormünder und ehrenamtliche Einzelvormünder ergeben sich deutliche Veränderungen hinsichtlich ihres Aufgabenbereiches. Dazu fand in Magdeburg ein Fachtag statt, zu dem der Arbeitskreis Vormundschaft Sachsen-Anhalt eingeladen hatte. Gekommen waren Amtsvormünder aus ganz Sachsen-Anhalt. Kathrin Kube, die Vorsitzende des LVPLALSA sprach über die Wünsche von Pflegeeltern n die Kooperation mit Vormündern aus Sicht der Pflegeeltern.
Dabei konnte Kathrin Kube aus ihren eigenen Erfahrungen schöpfen – als Mutter von insgesamt drei Pflegekindern hat sie für die beiden älteren die Pflegschaft für einzelne Sorgeangelegenheiten inne. Sie ging der Frage nach, wann sich Pflegeeltern überhaupt mit dem Thema Vormundschaft beschäftigen, was passiert, wenn die Pflegeeltern mit ihrem Vormund unzufrieden sind und wie die bisherigen Erfahrungen der Pflegeeltern aussehen. Und diese sind durch aus sehr unterschiedlich – das gibt es Eltern, die zufrieden mit dem Vormund ihres Pflegekindes sind, andere haben kaum Kontakt und wünschen sich mehr Präsenz. Kathrin Kube betont, dass es nicht immer von Vorteil sei, wenn Pflegeeltern die Vormundschaft für das Kind haben, sondern sich die Bereiche Gesundheit und Antragstellung für das tägliche Leben anbieten. Die Übertragung einzelner Sorgeangelegenheiten durch den Vormund auf Pflegeeltern sieht auch das neue Gesetz vor, das zudem die die Rechte des Kindes stärkt und besonderen Wert auf die Eignung als Vormund, ob im Ehrenamt oder als Amtsvormund legt.

Veranstaltung in Schlanstedt mit Birgit Patricia Eilenberger, Kathrin Kube und Henrike Hopp. (v. l.)

Als Ergebnis der Gespräche dieses Fachtages lud der LVPALSA gemeinsam mit dem Fachzentrum Pflegekinderwesen zu einer Informationsveranstaltung „Vormundschaftsrecht“ in den Schlanstedter Burgstall ein, gekommen waren etwa 60 Pflegeeltern, Vormünder, Fachkräfte und Interessierte. Zwei Referenten, Volker Henneicke, Leiter der Abteilung Vormundschaften im Jugendamt Magdeburg und Mitglied im „Bundesforum Vormundschaften und Pflegschaften“ sowie Henrike Hopp, Fachfrau im Pflegekinderwesen mit jahrzehntelanger Erfahrung als ehrenamtlicher Einzelvormund, Krisenhelferin und Verfahrensbeistand, stellten die rechtlichen Änderungen dieser Vormundschaftsrechts-Reform und deren Wirkung auf die Vormundschafts-Praxis der Pflegekinderhilfe (Sorgerecht, Vormundschaft und Pflegschaft) vor. Henrike Hopp brachte viele Beispiele aus ihrer Erfahrung, die den Vortrag lebendig und kurzweilig machten.

Dass das neue Gesetz den Focus ganz klar auf das Kind legt, entspricht auch der aktuellen Forderung einiger Parteien und Institutionen, die Kinderrechte laut UNO-Charta in das Grundgesetz aufzunehmen.

Allen, die sich mit den Neuerungen noch genauer auseinandersetzen wollen, legt Volker Henneicke die Broschüre „Große Vormundschaftsreform“ des Bundesforums Vormundschaft ans Herz. Übrigens löst das neue Vormundschaftsgesetz ein Gesetz aus dem Jahr 1900 ab. Für Henrike Hopp ist das neue Gesetz ein großer Schritt in die richtige Richtung, weil Kindeswille und Kindeswohl beachtet werden und alle Beteiligten zur Zusammenarbeit aufgefordert werden

Besuch von angehenden Justizfachwirtinnen – Theorie trifft Praxis

Stefanie Vogler, Kathrin Kube und Antje Wiegand (von links) vor der Geschäftsstelle in Halberstadt.

Als die angehenden Justizfachwirtinnen Stefanie Vogeler und Antje Wiegand das Thema ihres Praxisprojektes erfuhren, waren sie ganz angetan: „Amtsvormund für minderjährige Pflegekinder“. Sie wälzten Gesetzestexte und Facharbeiten. Dabei mussten sie jedoch feststellen, dass bei aller Theorie noch ein gutes Stück an Praxis fehlt und hatten sich an den LVPALSA gewandt. Die Vorsitzende Kathrin Kube nahm sich viel Zeit für die wissbegierigen Gäste. Denn das Thema ist komplex und reicht von Gründen, wann eine Vormundschaft für ein minderjähriges Kind durch die Familiengerichte angeordnet wird, über die Bedeutung der Perspektivklärung für das Kind, das Verhältnis des Jugendamtes zu den Pflegefamilien und die Rolle von Hilfeplänen bis hin zu den Erwartungen von Pflegeeltern an den Vormund ihres Pflegekindes.

Nicht selten werden Teile des Sorgerechts sogar freiwillig durch die Herkunftseltern an die Pflegeeltern abgetreten. Familie Kube selbst hat gute Erfahrungen als Ergänzungspfleger ihrer Kinder gemacht und damit nur einen Teil der Wirkungskreise der elterlichen Sorge für ihre Pflegekinder übernommen Andere Angelegenheiten wie beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder die Vermögenssorge in der Verantwortung der Pflegeeltern sieht Kathrin Kube kritisch. „Es schlagen immer zwei Herzen in Ihrer Brust, wenn es beispielsweise um die Umgänge mit den Herkunftseltern oder gar die Rückführung geht.“ Solche Dinge solle besser eine Person entscheiden, die keine emotionale Bindung zum Kind habe. „Pflegeeltern sind emotional erpressbar“.

Während des Gesprächs betonte Kathrin Kube immer wieder die Bedeutung der Beratung, Begleitung und Unterstützung der Pflegefamilien, ergriff aber auch Partei für die Jugendämtern. „Wenn die Mitarbeiter und Vormünder jeweils zu viele Fälle auf ihrem Tisch haben, können sie sich nicht so kümmern, wie es vom Gesetz verlangt und von den Pflegfamilien gewünscht wird.“

Beeindruckt und hochmotiviert bedankten sich Antje Wiegand und Stefanie Vogeler bei Kathrin Kube. Eines allerdings beschäftigte die beiden Anwärterinnen schon beim Abschied: „Wie um alles in der Welt packen wir dieses komplexe Wissen nun in unsere zwanzig Minuten, die uns für unsere Präsentation zur Verfügung stehen?“

Familienpolitisches Fachgespräch – Unsere Themen

Im Rahmen der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände beteiligen wir uns am familienpolitischen Fachgespräch mit Mitgliedern des Sozialausschusses, um Dinge anzusprechen, die aus unserer Sicht verändert werden müssten. Neben dieser Liste der Erwartungen von Pflegeeltern haben wir auch Empfehlungen formuliert, wie diese Wünsche umgesetzt werden könnten:

1. Bessere Beratung und Begleitung der Pflegeeltern durch die Jugendämter

Pflegeeltern fühlen sich oft nicht ausreichend beraten und begleitet. Vor allem dann, wenn es schwierig wird (beispielsweise bei den Umgängen mit den Herkunftseltern, wenn das Kind in die Pubertät kommt oder bei Feststellung einer Behinderung des Kindes), sehen sich allein gelassen. Dabei sind Beratung und Begleitung der Pflegeeltern durch die Jugendämter eine zentrale Aufgabe. Doch die Jugendamtsmitarbeiter sind allzu oft überlastet – kümmern sich um zu viele Fälle und können mitunter selbst die empfohlenen halbjährlichen Hilfeplangespräche nicht gewährleisten. Zudem wird vielerorts eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter beklagt.

Wir empfehlen: Reduzierung der Fallzahlen der Pflegekinderdienstmitarbeiter (Empfehlung: 35 bis 40 pro Vollzeitkraft), Verbesserung der Arbeitsbedingungen der PKD (mehr Personal, bessere Weiterbildungen)

  • Pflegeeltern sollten umfassend über ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen
  • Fachliche und passende Vermittlung des Pflegekindes
  • Nachdenken über neue Modelle der Dauerpflege
2. Aufwertung der Bereitschaftspflegestellen

Aktuell sind Bereitschaftspflegeeltern schlechter gestellt, als Dauerpflegeeltern. Das muss sich ändern, um wieder mehr Bereitschaftspflegeeltern zu gewinnen. So müssen Bereitschaftspflegeeltern zwar rund um die Uhr zur Verfügung stehen, werden aber nur dann bezahlt, wenn sie ein Kind aufgenommen haben. Sie sind nicht sozialversichert und erhalten kein Kindergeld. Wir empfehlen: Eine Verordnung zur besseren Behandlung der Bereitschaftspflegeeltern (hier hilft ein Blick in andere Bundesländer, in denen beispielsweise 90 Euro pro Tag gezahlt werden – davon könnte sich eine Bereitschaftspflegemutter dann auch selbst sozialversichern)

3. Vereinheitlichung der Beihilfekataloge

In Sachsen-Anhalt gibt es 14 Beihilfekataloge mit zum Teil gravierenden Unterschieden. Jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt behandelt seine/ihre Pflegeeltern anders. Wünschenswert wären einheitliche Qualitätsstandards für die Beihilfen. Pflegeeltern müssen die ihnen zustehenden Leistungen zu kennen. Auch sollte die Beantragung vereinfacht werden (pauschalisierte Leistungen). Hierzu müssen sich Landkreise und kreisfreien Städte angleichen. Moderieren könnten hier das Landesjugendamt und der Landkreistag.

4. Klärung der Binnenhaftpflichtversicherung

Richtet ein Pflegekind im Haushalt der Pflegefamilie einen Schaden an, greift die private Haftpflichtversicherung der Pflegeeltern nicht, nur dann, wenn der Schaden in einem fremden Haushalt entsteht. In der Vergangenheit gab es gravierende Vorkommnisse bis hin zur Brandstiftung durch Pflegekinder mit großen finanziellen Schäden. Diese Schäden sind bislang bundesweit nicht abgesichert. Versicherungen bieten zwar eine Zusatzversicherung an, diese muss aber von den Pflegefamilien abgeschlossen werden – hier wäre eine generelle Versicherung für jedes Pflegekind durch die Jugendämter wünschenswert (Bund).

Aus den Mitgliedsvereinen

Über die verheerenden Folgen von Alkohol in der Schwangerschaft

Trinkt eine schwangere Frau Alkohol, „trinkt“ das Ungeborene immer mit. Die Folge, das „Fetale Alkoholsyndrom“ (kurz FAS) ist oft verheerend. Geschätzt ist jedes vierte Pflegekind von FAS in einer der Ausprägungen betroffen. Daher zeigen Pflegeeltern ein ganz besonderes Interesse an diesem Thema.

Das Jugendamt hat reagiert und gemeinsam mit den Pflege- und Adoptivelternvereinen der Altkreise Quedlinburg, Halberstadt und Wernigerode eine Weiterbildung zum Thema „FAS“ organisiert. Rund 70 Pflegeeltern, Pädagogen aus Schule und Kita, und Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstes waren gekommen.

Die von Dr. Henning Böhme, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Harzklinikum vorgestellten aktuellen Zahlen sind erschreckend: So habe eine Studie der Charité ergeben, dass rund 58% der Frauen in der Schwangerschaft Alkohol konsumiert haben, davon rund 20% mehrfach im Monat und rund 1% täglich. Das Problem: es gibt keinen Schwellenwert bei Alkohol und selbst geringste Mengen können schon zu FAS führen. Das Kind „trinkt“ mit baut den Alkoholspiegel deutlich langsamer ab als der Körper der Mutter – bei einem Blutalkoholgehalt von ca. 1,15 % der Mutter ist diese innerhalb eines Zeitraums von etwa elf Stunden wieder auf null. Beim ungeborenen Kind hingegen dauert der Abbau acht bis zehnmal länger, es ist also rund 105 Stunden (vier bis fünf Tage) unter Alkoholeinfluss, mit verheerenden Auswirkungen: Kinder mit FAS haben oft schwere Störungen der Impulskontrolle oder Wahrnehmung, haben Gedächtnisprobleme, Sprachprobleme, soziale Auffälligkeiten. Auch körperliche Missbildungen an Herz, Nieren, Augen oder Ohren sind möglich. Die erschreckenden Zahlen und Folgen erschreckten sorgten für zahlreiche Fragen und Diskussionen unter den Zuhörern.

Am Nachmittag übernahm dann Ralf Neier – der Sozialpädagoge aus Nordrhein-Westfalen hat beruflich in der Intensivbetreuung mit FAS zu tun und gibt seine Erfahrungen in Fortbildungen weiter. Dabei legt er den Fokus auf Umgang und Alltag mit FAS. Ein Film stellte drei junge Menschen mit FAS vor, es wurde deutlich, dass FAS viele Gesichter und Ausprägungen hat, die oft von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Heilbar ist FAS bis heute nicht und laut Statistik schaffen nur zehn Prozent der Betroffenen den Sprung in ein eigenständiges Leben.

Zusammenfassend wurde klar: Wir als Gesellschaft müssen aufklären, aufklären, aufklären…

FAS ist eine absolut vermeidbare Behinderung – indem kein Alkohol in der Schwangerschaft konsumiert wird! Übrigens auch keine vermeintlich alkoholfreien Alternativen, denn auch diese dürfen bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten und sind für das Ungeborene schädlich.

Wichtig ist es, dass der Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nicht verschwiegen, sondern zugegeben wird, nur dann kann frühzeitig FAS diagnostiziert und es können notwendige Hilfen und Therapien installiert werden. Genauso wichtig: Es darf keine Stigmatisierung stattfinden.

Fazit: Das fetale Alkoholsyndrom können wir nur als Gesellschaft gemeinsam „ausrotten“ – mit viel Aufklärung und einem vernünftigen Umgang mit Alkohol, nicht nur während einer Schwangerschaft.

Ein herzlicher Dank für diese Veranstaltung geht an das Jugendamt des Landkreis Harz sowie die drei Pflege- und Adoptivelternvereine. (Text: Ingelore Kamann.)

Wir wünschen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in das neue Jahr und verbinden damit unseren herzlichen Dank für Ihr Interesse an unserer Arbeit und die gute Zusammenarbeit.

Verantwortlich für den Inhalt dieses Newsletters: Ramona Adelsberger

Die nächste Ausgabe erscheint im I. Quartal 2023

Fotos: (5) Ramona Adelsberger, (1) Pflege- und Adoptivelternverein Wernigerode

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